ALES-Tagung "Suchtmittelrecht aktuell"

11.06.2018

Am 4. Juni 2018 fand die 7. ALES-Jahrestagung zum Thema "Suchtmittelrecht aktuell" statt. Dabei wurden Fragen nach den Ursachen der Drogenabhängigkeit, aktuellen Phänomenen des Drogenhandels und Regulierungsmöglichkeiten aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven beleuchtet.

Nach der Veranstaltungseröffnung durch ALES-Leiterin Univ.-Prof. Hon.-Prof. (UQ) Dr. Susanne Reindl-Krauskopf startete das erste Panel unter der Moderation von Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl.

Frau Dr. Barbara Gegenhuber, M.A., Geschäftsführerin und stellvertretende therapeutische Leiterin des Schweizer Haus Hadersdorf, gab zunächst einen Einblick in die verschiedenen Stufen des Gebrauchs von Suchtmitteln beginnend mit dem Genuss über den Missbrauch hin zur Abhängigkeit iSd Sucht. Nach Erörterung von Indikatoren für das Vorliegen einer Abhängigkeit und einem Überblick über die häufigsten Suchtarten in Österreich stellte die Vortragende eingehend mögliche Maßnahmen in der Behandlung vor, wobei sie sich auf Maßnahmen der Harm Reduction, der Substitutionsbehandlung und der Entzugsbehandlung konzentrierte. Den Abschluss Ihrer Ausführungen bildete ein Einblick in die konkrete Arbeit des Schweizer Hauses Hadersdorf.

Nachfolgend widmete sich Frau MMag. Monika Stempkowski, Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht und Kriminologie sowie ALES-Mitarbeiterin, Regulationsbemühungen der Drogennachfrage im internationalen Vergleich. Dabei stellte sie als konkrete Beispiele die Rechtslage in Portugal und in den US-Bundesstaaten Colorado und Washington vor. Die Wahl fiel auf Portugal, weil bereits im Jahr 2000 eine Verlagerung von der gerichtlichen hin zur Verwaltungsstrafbarkeit in Bezug auf geringfügige Drogendelikte beschritten worden war. Die Rechtslage in den Bundesstaaten Colorado und Washington betrifft demgegenüber ein Modell der Legalisierung von geringfügigem Besitz von Cannabis. Die Referentin thematisierte in ihren Ausführungen Hintergründe und zu beobachtende Folgen dieser Umstellungen anhand von Statistiken und bot dadurch eine breite Diskussionsgrundlage für Liberalisierungs- und Entkriminalisierungsalternativen in Österreich.

Das zweite Panel stand unter der Leitung von Dr. Mathias Vogl, Sektionschef im Bundesministerium für Inneres.

Im ersten Vortrag dieses Panels beleuchtete Univ.-Prof. Dr. Klaus Schwaighofer aktuelle Rechtsfragen des nationalen österreichischen Suchtmittelrechts. Insbesondere untersuchte er die Änderung des Suchtmittelgesetzes durch das StRÄG 2015, mit der festgelegt wurde, dass in Fällen geringfügiger Suchtmitteldelikte eine Abtretung der Verfahren seitens der Strafverfolgungs- an die Gesundheitsbehörden zu erfolgen hat. Weitere Schwerpunkte seiner Ausführungen waren die Änderungen des Suchtmittelregisters durch das Budgetbegleitgesetz 2016 sowie die Neuregelung des Drogenhandels im öffentlichen Raum nach § 27 Abs 2a SMG. Abschließend beleuchtete der Vortragende die Änderungen der Opioid-Substitutionsbehandlung und die Aufgabe der so genannten Abtrennungsjudikatur durch den Obersten Gerichtshof. Diese Judikarturänderung hat auch entscheidende Bedeutung für die Frage der Gewerbsmäßigkeit – ebenfalls ein Thema, dem sich der Vortragende eingehend widmete.

Herr KontrInsp. Robert Taferner vom Bundeskriminalamt schilderte daran anschließend praktische Konstellationen des Suchtgifthandels, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Handel im Darknet lag. Neben der Funktionsweise des Darknet und der besonderen Struktur des dortigen Suchtgifthandels gab der Referent Einblicke in die Herausforderungen an die praktische Polizeiarbeit in solchen Darknet-Szenarien und beleuchtete insbesondere Unterschiede zwischen wie auch Gemeinsamkeiten von Drogenhandel im Darknet und traditionellem Drogenhandel. Anhand von Fallbeispielen und weiteren denkbaren Konstellationen brachte der Vortragende dem Publikum eindrücklich nahe, welches kriminelle Potential in den verborgenen Netzstrukturen liegt.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl, stellvertretendem ALES-Leiter, eine Podiumsdiskussion zu Facetten des Suchtmittelrechts in der Praxis. Inputs der Podiumsdiskutanten Herrn Obstlt. Daniel Lichtenegger, BA MA, vom Bundeskriminalamt, Frau Mag. Barbara Haider, Leiterin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Herrn Dr. Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien sowie Beauftragter der Stadt Wien für Sucht- und Drogenfragen, sowie Frau Dr. Margit Winterleitner von der Generaldirektion für den Strafvollzug im Bundesministerium für Justiz bereiteten den Weg für einen intensiven Austausch auf höchstem fachlichen Niveau. Im Zentrum der Diskussion standen neben den Ermittlungsmaßnahmen vor allem jene behördlichen Instrumente, die der Behandlung von abhängigen Straftätern dienen. Dabei zeigte sich wieder einmal sehr deutlich, dass für die Lösung gesellschaftlicher Probleme – wie in concreto der Drogenkriminalität und Drogenabhängigkeit – das Strafrecht alleine keine adäquaten Lösungen anbieten kann. Vielmehr bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, der alle betroffenen Player von der Strafverfolgung bis zu den Gesundheitseinrichtungen an einen Tisch bringt und in die Pflicht nimmt. Der gemeinsame Leitgedanke von „Therapie statt Strafe“ hat nach wie vor ebenso seine Berechtigung wie das Streben nach einer Lösung, die neben die Repression als ebenso wichtigen Faktor die Prävention stellt.

Die Vorträge sowie die anschließende Podiumsdiskussion werden im Detail – der Tradition von ALES entsprechend – in einem Tagungsband dokumentiert und veröffentlicht werden.