Grund- und Menschenrechte vor komplexen Herausforderungen
Grund- und Menschenrechte stellen einen eigenen Forschungsbereich dar, sind aber keineswegs als abgeschlossen oder getrennt zu betrachten; als Querschnittsmaterie durchdringen sie vielmehr die gesamten nationalen, supra- und auch internationalen Rechtsordnungen. Unter der Prämisse, dass Grund- und Menschenrechte im Rahmen einer dynamisch-evolutiven Interpretation zu gewinnende Antworten auf aktuelle Fragen geben sollen, weisen die großen Fragen unserer Zeit und deren Verhandlung in den Teildisziplinen regelmäßig auch eine grund- und menschenrechtliche Dimension auf.
Die wissenschaftliche Befassung mit diesen Fragen im Forschungsschwerpunkt „Grund- und Menschenrechte vor komplexen Herausforderungen“ lässt sich in drei größere Teilbereiche untergliedern:
Erstens, gilt die Forschung der Analyse, Begründung und Operationalisierung der Idee von Menschenrechten als universalen Rechten aller Menschen; eine Vorstellung, die freilich zunehmend in Zweifel gezogen wird, etwa unter Rekurs auf kulturkontextuelle Besonderheiten oder (vermeintlich) postkolonial fortgeschriebene Machtungleichgewichte.
Zweitens, adressiert die Forschung die Grund- und Menschenrechtsbindung unter veränderten Vorzeichen. Herrschaft ist heute nicht mehr nur Staatsgewalt, sondern wird auch von überstaatlichen Instanzen und mächtigen Privatpersonen ausgeübt, auf mehreren Ebenen und in einander überlappenden Bereichen, manchmal fragmentiert, manchmal koordiniert und manchmal in Konkurrenz zueinander. Der Staat reguliert, überwacht und verbietet in zunehmendem Maß, aber er legitimiert dies heute stärker damit, dass er die Grundfreiheiten der einen beschneiden muss, um die Menschenrechte der anderen zu schützen, und er arbeitet dabei vermehrt mit internationalen Organisationen, supranationalen Instanzen und anderen Staaten zusammen. Unternehmen haben wirtschaftliche Machtpositionen aufgebaut, die es ihnen erlauben, ihren Mitarbeiter*innen, den Mitbewerber*innen und den Staaten gegenüber gleichermaßen die Bedingungen zu diktieren. Suchmaschinen und soziale Medien verfügen über enorme Datenbestände und damit über immense Wissensmacht, zu der wir alle als informelle Mitarbeiter*innen bereitwillig beitragen. Unter diesen Bedingungen muss der Schutz der Grund- und Menschenrechte quer durch die Rechtsgebiete neu gedacht werden. Hier stellen sich Fragen einer partiellen Erweiterung der Grund- und Menschenrechtsbindung Privater, wie wir sie etwa im EU-Recht erleben, aber auch solche nach einem geänderten Rollenverständnis des Staates, etwa hinsichtlich der Gewichtsverschiebung von der abwehrrechtlichen Funktion hin zu einer stärkeren Schutzfunktion von Grund- und Menschenrechten auch in einer exterritorialen Dimension (jüngst etwa in Ansehung von Verantwortlichkeiten in Wertschöpfungsketten).
Drittens, gilt es die Maßstabsfunktion und Steuerungsfähigkeit der Grund- und Menschenrechte, wie sie etwa im Rahmen der strategischen Prozessführung ausgelotet wird, im Hinblick auf thematische Herausforderungen zu erforschen. Dazu zählen etwa die Bereiche Migration, Klimawandel, Strafverfolgung und Strafvollzug, Digitalisierung und künstliche Intelligenz sowie Wirtschaft und (soziale) Ungleichheiten.
Neben der Forschung und Lehre legen wir schließlich besonderen Wert auf den Wissenstransfer, um entsprechend der Third-Mission-Strategie der Universität Wien als Fakultät einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten. Nicht zuletzt auch in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte, das dem Institut für Staats- und Verwaltungsrecht als Partnereinrichtung angeschlossen ist, organisieren wir nationale und internationale Tagungen, an ein breites Publikum adressierte Diskussionsveranstaltungen (z.B. die Human Rights Talks) und Workshops mit nationalen und internationalen Stakeholdern, um unsere Forschung in gesellschaftliche Relevanz zu übersetzen. Auch anwendungsorientierte Drittmittelprojekte (gefördert u.a. von FWF und EU) leisten dazu einen wichtigen Beitrag.
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