Kodifikationen im Privatrecht

Während die großen Privatrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts den Anspruch hatten, das Privatrecht systematisch in einem Gesetzbuch abschließend zu regeln, ist das Privatrecht heute durch starke Rechtszersplitterung gekennzeichnet. Neben das ABGB, das laufend punktuell reformiert und partiell neukodifiziert wird, sind zahlreiche Sondergesetze vor allem im Bereich des Verbraucher*innenprivatrechts getreten. Grund dafür ist die Notwendigkeit, das Privatrecht an geänderte gesellschafts- und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen anzupassen sowie europäische Rechtsakte zu implementieren.

Das Privatrecht ist heute mehrschichtig, sowohl hinsichtlich des Regelungsortes, der Regelungsherkunft, der Regelungsdichte und den zeitlichen und historischen Rahmenbedingungen, in denen einzelne Gesetze oder Regelungen geschaffen wurden. Die erreichte Komplexität des Privatrechts lässt eine umfassende Neukodifikation des gesamten Privatrechts illusorisch erscheinen. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, bei einzelnen Gesetzgebungsverfahren auf die Konsistenz der neuen Bestimmungen mit dem Regelungsumfeld zu achten, um Systematik zu wahren, Praktikabilität zu erzielen und Rechtssicherheit zu schaffen.

Es gehört zu einer langen Tradition der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, den Gesetzgeber bei umfassenden Reformprojekten wissenschaftlich zu begleiten, Reformen anzustoßen, mit jeder Reform verbundene Rechtsfragen zu lösen und für die Praxis aufzubereiten und diese Reformprojekte durch rechtsvergleichende, rechtshistorische und europarechtliche Untersuchungen vorzubereiten. Der Forschungsschwerpunkt ist insofern fächerübergreifend und nützt die internationale Vernetzung durch zahlreiche Kontakte zu ausländischen Einrichtungen sowie die Kooperation mit dem European Law Institute. Beispielhaft können aus jüngerer Zeit die Reform des Erbrechts, das Erwachsenenschutzrecht, das Familienrecht, das Recht der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft, das Kreditvertragsrecht, das Verbraucherschutzrecht oder das Schadenersatzrecht genannt werden.

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