Für das Juridicum in 80 Tagen um die Welt

Stahlbetonkern-Zwillingstürme, hier an Stiege 2, zwischen denen heute die Treppen liegen: Das Juridicum in der Bauphase © Ernst Hiesmayr Archiv

Interview mit em. O.Univ.-Prof. Dr. iur. Dr. h.c. phil. et iur. Günther Winkler

Miloš Vec: Herr Winkler, wo erreichen wir Sie gerade und wie geht es Ihnen?
Günther Winkler: In Gießhübl! Ganz gut und mühsam, wie Sie wissen, kann ich ja nur mit dem Rollator gehen.

Vec: Ja, wie alt sind Sie jetzt?
Winkler: 95!

Vec: Herr Winkler, das Juridicum wird heuer 40 Jahre alt. Wir fanden, es ist Zeit für einen Rückblick und eine Würdigung. Sie waren damals Baubeauftragter des Juridicums, wie ist es dazu gekommen?
Winkler: Ich war ehrenamtlicher Raumbeauftragter der rechtswissenschaftlichen Fakultät, und ich wurde ersucht, für die Raumnot Abhilfe zu schaffen. Fakultät, Universität und Unterrichtsministerium bestellten mich zum Baubeauftragten. Dann habe ich organisiert, dass ein Grundstück gekauft wurde, gleich in der Nähe vom Hauptgebäude: zwischen Heßgasse, Hohenstaufengasse, Helferstorferstraße und Schottenbastei. Da waren noch Häuser aus dem späten 19. Jahrhundert drauf. Wir konnten das Ensemble von der Creditanstalt erwerben. In den drei erhaltenen Häusern war die Semperit-Verwaltung untergebracht. Diese Häuser mussten wir abreißen. Das hat Jahre gedauert und war mühsam. Ich habe gesagt: Ich mache das nur, wenn die Fakultät mich das allein machen lässt, also wenn ich mit Entscheidungsvollmacht ausgestattet werde, allerdings gegen Berichtspflicht. Das ist auch geschehen. Alle waren’s froh – also die Kollegen –, dass sie nichts damit zu tun hatten.

Leer ist es in den vier Freihand-Fachbibliotheken nur außerhalb der Öffnungszeiten © Bundesdenkmalamt, Aufnahme: Bettina Neubauer-Pregl.

Vec: Und Sie haben dann für das Juridicum eine Reise in 80 Tagen um die Welt unternommen. Sie dauerte vom 2. April bis zum 25. Juni 1971. Mehr als 50 Jahre ist das her! In Ihrem Buch* berichten Sie darüber: Sie waren in neun Ländern, 32 Städten und besichtigten mehr als 200 Universitäts-, Fakultäts- und Bibliotheksgebäude. Sie bereisten Washington, New York, New Haven, Cambridge/ Mass., Boston, Ann Arbor, Detroit, Chicago, Tucson, Mexico City, San Diego, Los Angeles, San Francisco, Davis, Palo Alto, Santa Cruz, Honolulu, Canberra, Melbourne, Adelaide, Sydney, Taipeh, Tokio, Kyoto, Hongkong, Bangkok, Chiang Mai, Kathmandu, Neu-Delhi. Ausgelassen haben Sie Teheran, Kairo, Alexandria, Beirut, Istanbul und Athen – weil Sie es schon von Studienreisen früherer Jahre kannten. Zuvor hatten sie schon im Jahr 1970 Bonn, Freiburg und Regensburg und die dortigen neuen juristischen Institutsgebäude der Bundesrepublik Deutschland besichtigt. Später folgte noch eine zweite Studienreise im März und April 1974, wieder in die USA.
Winkler: Ja, das stimmt. Ich war hauptsächlich in den Vereinigten Staaten. Da habe ich einige ganz schöne, moderne Beispiele gefunden. Ich habe einige Zeichnungen und Aufzeichnungen gemacht, Material und Prospekte gesammelt. Aber das amerikanische System ist natürlich völlig anders als das unsere.

Spektakuläre US-Bibliotheksarchitektur der frühen 1960er Jahre – aber keine Freihandbibliothek: Die Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Universität Yale mit dem Glasturm © Miloš Vec

Vec: Inwieweit hat das spätere Juridicum Ihre Beobachtungen widergespiegelt?
Winkler
: Die Arbeitsräume mit der Bibliothek, in der man gleichzeitig auch studieren konnte: eine sogenannte Freihandbibliothek. Das habe ich in den USA gefunden. Dort ist das einfacher, weil die Hörerzahlen relativ klein sind und alles viel großzügiger sein kann. Aber wir mussten von Anfang an eine größere Zahl in Kauf nehmen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Kinderreichtum seinen Niederschlag auch an der Universität gefunden. Mehr Maturanten – und auch viel mehr junge Frauen – gingen aufs Gymnasium und später an die Universität, und auf einmal war auch in den Rechtswissenschaften ein großer Andrang.

Vec: Was hat Sie auf Ihrer Reise um die Welt noch überrascht? Welche interessanten Sachen haben Sie noch gesehen, die Sie so nicht erwartet haben?
Winkler: Eigentlich nicht viel. Ich war sehr beeindruckt von Harvard, Yale und von der Columbia-Universität. Von der Organisation bis zur Einrichtung der Bibliotheken und der Studiermöglichkeiten: Alles habe ich angeschaut, vorgemerkt und das habe ich dann den Architekten und dem Ministerium berichtet. Wir wollten ein modernes Lern- und Verwaltungsgebäude in einer Einheit anbieten.

Vec: Sie haben in Ihrem Buch erzählt, dass damals viele moderne Neubauten entstanden, die vom Zeitgeist geprägt waren. Sie schreiben von der Aufbruchstimmung jener 1960er Jahre. Für Wien und den Bauplatz musste aber erst noch ein passendes Modell entwickelt werden. In Ihrem Buch fällt öfter das Stichwort „Demokratisierung“. Können Sie uns erklären, inwieweit das für den Bau eine Rolle gespielt hat?
Winkler: Die Öffnung der Universitäten für die Allgemeinheit – vor allem die Aufhebung der Studiengebühren – hat dazu geführt, dass der Zustrom sehr stark geworden ist, und wir haben von Anfang an gefürchtet, dass das Haus irgendwann zu klein werden wird. Am Anfang war es noch groß genug und beinhaltete ein zusätzliches Fassungsvermögen von 2.400 bis 5.000 Menschen. Wir hatten angenommen, dass das reicht. Dann hat sich natürlich vieles verändert.

Das verspiegelte Juridicum reflektiert die gelbe Fassade des Schottenstifts von gegenüber © Gebhard Sengmüller, Foto vom November 2014.

Vec: Ich komme noch mal zum Zeitgeist zurück, es gab ja noch andere linke, kritische und radikale Parolen der späten 1960er-Jahre, die aus West-Deutschland importiert waren und die Sie auch in Ihrem Buch zitieren: „Wissenschaft ist nun mal / Dienst am Kapital“ und „Unter den Talaren / Muff von 1000 Jahren“.
Winkler: Das waren die Revoluzzer-Zeiten der Studenten, und auch die Forderungen nach Mitbestimmungen waren natürlich ein Umstand, dem man Rechnung tragen musste.

Vec: Wie sind Sie in der Planungs- und in der Bauphase damit umgegangen?
Winkler: Wir haben die Studenten so viel wie möglich eingebunden. Der Zeitgeist wurde sozusagen für den Bau in Dienst genommen! Ich habe immer wieder den Studenten und dem Mittelbau über den Baufortschritt berichtet und immer wieder Zustimmung eingeholt.

Vec: Eine ästhetische Frage zum Zeitgeist: Ringsherum standen ja die schönen alten Häuser aus dem 19. Jahrhundert, und dann wurden diese Häuser abgerissen zugunsten eines modernen Gebäudes.
Winkler: Deswegen hat uns das Denkmalamt verpflichtet, so weit wie möglich die Juridicum-Fassade der Umgebung anzunähern. Wir haben das auch gemacht. Ernst Hiesmayr war ein großartiger Architekt, der gesagt hat: Es ist sehr einfach, das Haus zu verspiegeln, und die Umgebung wird sich widerspiegeln! Also besser kann man gar nicht auf die Umgebung Rücksicht nehmen als durch Überspiegelung! So ist das verspiegelte Juridicum entstanden. 

„Überspiegelung“ als Gestaltungsmotiv: Das Alte wird sichtbar im Neuen © José-Domingo Rodríguez Martín

Vec: Und auch gleich noch die erste Fußgängerzone in Wien!
Winkler: Ein ganz kurzes Stück. Nur die Verbindung zur Universität sollte so praktisch und störungsfrei wie möglich gehalten werden und da war gerade das sogenannte Jonasreindl fertig geworden. Da konnte man unter der Straße rüber zum Hauptgebäude gehen. Es war notwendig, weil die Einführungsvorlesung von Vornherein für das Audimax geplant war. Daher war der verkehrsfreie Weg ganz wichtig.

Vec: Und Sie haben eine der ersten Atomschutzzonen in Wien gebaut: ein Atom-Schutzraum im 3. UG!
Winkler: Ja, haben wir. Die Garage war gleichzeitig ausgestattet wie ein Luftschutzkeller. Da hat es auch entsprechende Nebenräume, Sanitätsräume und Ähnliches gegeben, aber das ist nie aktuell geworden, Gott sei Dank!

Ensemble aus Stiegenhaus, Treppengeländer und Noppenboden © Bundesdenkmalamt, Aufnahme: Bettina Neubauer-Pregl.

Vec: Gab es darüber Diskussionen und Bemerkungen, als man den Atom-Schutzraum damals geplant und gebaut hat?
Winkler: Zunächst war man nur erstaunt – man war es nicht gewohnt! Wie so manches: Wie das Juridicum gerade fertig war, hat ein Journalist vom „Kurier“ durch die Fenster im Parterre hereingeschaut und hat gesagt: „Ein merkwürdiges Haus, das ist völlig leer und drinnen ist nichts, wie umbaute Luft“. „Naja, das ist normal für die Architektur, sie ist umgebaute Luft“, haben wir geantwortet.

Vec: Wenn man heute Menschen fragt, die vorbeigehen, dann fällt unter den Antworten ganz oft der Noppengummi in der intensiven orangen Farbe auf, und er ist so ein Markenzeichen geworden, mit dem wir an der Fakultät mittlerweile auch spielerisch-offensiv umgehen, etwa in unserem Merchandising der „Juridicum-Kollektion“.
Winkler: Naja, wir haben damals einen sehr robusten Boden gesucht, und die Semperit hatte gerade eine Riesenmenge von dem Boden zur Verfügung und hat ihn preisgünstig abgegeben. Und so wurde das Juridicum mit dem orangen Noppengummiboden ausgestattet, der sich ja wirklich bewährt hat. 

Ultramarinblau: Die Trägerkonstruktion und Innenarchitektur mit Leo Wollners farbiger „Glaswolke“ im Dachgeschoss des Juridicums © Bundesdenkmalamt, Aufnahme: Bettina Neubauer-Pregl

Vec: Es sollte aber eigentlich eine andere Farbe verlegt werden, oder?
Winkler: Eigentlich etwas Bräunliches, aber wir haben zur Kenntnis genommen, dass er nicht lieferbar war. Als Kontrast wurde später im Trägergeschoss ein blauer Noppengummi gewählt.

Vec: Sie schreiben das Juridicum habe damals den Ruf gehabt, es sei „die schmutzigste Baustelle von Wien“. Wie ist es dazu gekommen?
Winkler: Da die Abbrucharbeiten lange gedauert hatten und jedes Jahr neu um die Budgetierung gerungen wurde, existierte jahrelang eine offene Baustelle, ein Ärgernis. Ein tiefes Loch und nichts drinnen. „Schmutzig“ kann man nicht sagen; aber jedenfalls ständig in Arbeit.
Und in der Baugrube waren noch die alten Stadtmauern zum Teil auf der Seite des Gymnasiums Schottenbastei, die mussten auch abgerissen werden. Vor allem, damit die Garage genug Platz hat. Für die Garage habe ich außerdem den Boden zwischen dem Gymnasium und Juridicum von der Stadt Wien zugesagt bekommen. Da sind teilweise die Hörsäle darunter. Es war also ein ganz enger Bauplatz, und wir haben gerungen um jeden Quadratmeter.

Die 15 m tiefe und seitlich mit verankerten Betonpfählen gesicherte Baugrube mit Blick in Richtung Schottengasse und Rathaus © Ernst Hiesmayr Archiv

Vec: Wo haben Sie die ganze Energie damals hergenommen für die unendlich vielen großen und kleinen Entscheidungen, für die ganzen Konflikte?
Winkler: Ich war faktisch ständig in der Baugrube, wenn ich nicht Vorlesung oder Übungen bzw. Pflichtübungen gehalten habe.

Vec: War Ihr Lehrdeputat damals reduziert? Sie waren ja die ganze Zeit über Ordentlicher Professor der gesamten Rechts- und Staatswissenschaften.
Winkler: Nein.

Vec: Aber Sie haben wahrscheinlich weniger Forschen können?
Winkler: Gar nichts!

Vec
: Wie lange?
Winkler: 10 Jahre.

Vec: 15 Jahre haben Sie mit dem Architekten zusammengearbeitet, mit Professor Ernst Hiesmayr von der Technischen Universität Wien. Wie kam Sie menschlich so miteinander zurecht?
Winkler: Großartig, der Hiesmayr war ein toller Mann! Ein großartiger Freund, den vermiss’ ich sehr. Wir haben jeden Schmarrn besprochen, Vieles auch am Telefon. So wusste ich auch Bescheid über viele Dinge, es wurde faktisch ALLES miteinander beraten und besprochen.

Univ.-Prof. Dr. Ernst Hiesmayr (TU Wien) bei der Ernennung zum Ehrensenator der Universität Wien im Juni 1988 @ Archiv der Universität Wien, Bildarchiv UrheberIn: Vouk Signatur: 106.VF.03092

Vec: Und hinterher waren Sie auch noch gut miteinander befreundet?
Winkler: Ja, natürlich! Er ist leider nur zu früh gestorben, an einem Herzinfarkt, 2006. Hiesmayr war ein großartiger Mann und ein künstlerisch begabter Architekt!

Vec: Welche Fähigkeiten des Juristen Günther Winkler waren für das Projekt nützlich und wichtig?
Winkler: Meine Erfahrungen in der Universität als Student, als wissenschaftliche Hilfskraft, als Bibliothekar, als Institutsvorstand und als Dekan und später noch als Rektor.

Vec: Und was hat umgekehrt der Hochschullehrer und Jurist Winkler von dem Bauprojekt gelernt?
Winkler
: Kritisch denken, genau und verlässlich zu sein, alles drei Mal, vier Mal überprüfen, bis es stimmt. Kritik und Selbstkritik. Es ist enorm angewachsen!

Vec: Hat Sie irgendetwas nach der Fertigstellung überrascht am Gebäude?
Winkler: Es hat mich gefreut, dass es in relativ kurzer Zeit gut angenommen wurde. Ein oder zwei ältere Kollegen hatten keine Freude damit. Die waren schon emeritiert, ihr Arbeitszimmer im Hauptgebäude gewohnt und das wollten sie nicht verlassen. Einer hat gesagt: „Da ist ja alles möbliert, da kann ich ja meine Biedermeiermöbel nicht aufstellen.“ – Naja, er war halt sehr konservativ!

Nur mal kurz die App checken: Lernpause an einer sonnigen Stiege 2 © Miloš Vec

Vec: Nach der Fertigstellung gab es ja mehrere Technik-Revolutionen. Als erstes kam die elektronische Datenverarbeitung mit den Computern.
Winkler: Ja, es wurde alles – auch mit Hilfe des Architekten – installiert. Das ganze Gebäude wurde elektronisch verbunden.

Vec
: Sie haben damals in den Stiegenhäusern diese sogenannten „Podeste“ oder „Podestplatten“ bei den Haupttreppen als Kommunikations- und Begegnungszonen geplant. Man schaut wunderbar durch große Fensterfronten nach außen, viel Licht fällt hinein. Wenn ich da heute entlanggehe, sehe ich meistens einzelne Studierende, die am Handy sind, Nachrichten checken; manche essen etwas. Andere telefonieren, kommunizieren also – aber ganz anders als man es sich damals vorgestellt hat. 
Winkler: Ja, das war damals überhaupt noch nicht absehbar. 

„Das gespaltene Juristenhaupt“, eine Bronzeskulptur von Herbert Albrecht (2,80 m x 2,80 m x 2,24 m), residiert zwischen Juridicum und Gymnasium Schottenbastei © Ana Maria Fuentes

Vec: Wenn Sie so zurückschauen, Herr Winkler, gab es oder gibt es etwas, was Sie heute anders gemacht hätten, am Juridicum, im Nachhinein?
Winkler: Eigentlich nicht. Es ist leider zu klein, aber das haben wir von Anfang an gewusst. Ich habe daher an Politiker den Antrag gestellt, eine zweite Fakultät zu bauen. Das ist später auch geschehen – mit der Fakultät an der Wirtschaftsuniversität (WU), aber halt erst später.

Vec: Sie sind ja jetzt schon in einem sehr stolzen Alter und viele, die beteiligt waren, haben bereits das Zeitliche gesegnet. Auch die Künstler: Karl Prantl, der die Steinskulptur gemacht hat. Herbert Albrecht, von dem die Bronzeskulptur ist. Wer hat das alles ausgewählt?
Winkler: Der Architekt und ich. Wir waren die Kunst-Kommission. Und wir haben diese künstlerische Ausgestaltung entschieden. Das ist dieses „gespaltete Juristenhaupt“ und dann der Marmorstein vom Prantl und dann im Trägergeschoss die Beleuchtung.

Vec: Haben Sie irgendeinen Eindruck wie diese Kunst von den Menschen aufgenommen wurde, die hier studieren und arbeiten?
Winkler: Einige haben gestaunt, andere haben es gar nicht wahrgenommen. Manche sind am Zaun stehengeblieben und haben sich das angeschaut. Aber ich habe den Eindruck, dass man sehr zufrieden war.

Ein „karger Schmuck“ für die große Glasfassade: Steinskulptur von Karl Prantl mit den Abmessungen 1,40 m x 8,80 m x 1,08 m © Miloš Vec, Foto vom Mai 2024

Vec: Wo haben Sie die Dachgeschoss-Bilder von Max Weiler gefunden?
Winkler: Im Atelier vom Weiler. Da sind sie am Boden gelegen.

Vec: Wissen Sie noch, wie viel sie gekostet haben?
Winkler: Keine Ahnung, also relativ billig.

Vec
: Die Raumhänger aus Muranoglas von Leo Wollner wurden extra für das Juridicum-Dachgeschoss hergestellt. Und die Bronzeskulptur von Herbert Albrecht, „Das gespaltene Juristenhaupt“ zwischen Gymnasium Schottenbastei und Juridicum?
Winkler: Das war ebenfalls eine Extraanfertigung. Wir haben das nur in Miniatur gesehen und es wurde dann größer aufgestellt.

Vec: Wissen Sie noch, was Ihr erster Eindruck war?
Winkler: Wir waren sehr zufrieden. Wir haben es ja immer in der Wirklichkeit angeschaut, wenigstens im Modell.

Vec: Und die Steinskulptur von Karl Prantl?
Winkler: Die haben wir auch ausgesucht. Das war eine Anfertigung fürs Gebäude.

Vec: Wissen Sie noch, was die ästhetische Idee dahinter war, was haben Sie sich da gemeinsam vorgestellt?
Winkler: Keine Ahnung, was sich der Prantl vorgestellt hat; dem Hiesmayr und mir hat das gefallen! Es hat so einen kargen Schmuck für die Fassade gegeben, für den Anblick. 

Ein leidenschaftlicher Universitätsmensch: Günther Winkler fotografiert im Jahr 1989 © Archiv der Universität Wien, Bildarchiv Signatur: 106.I.1657

Vec: Das Juridicum ist ja dann vom ORF relativ zeitnah (1986) als „Mekka der österreichischen Rechtswissenschaft“ bezeichnet worden; meinte der ORF das Haus oder die Fakultät oder beides zusammen?
Winkler: Es war eine gute Fakultät jedenfalls. Es waren sehr gute Lehrer am Werk und einige besonders Bedeutende wie Alfred Verdross.

Vec: Andere haben das Gebäude eher kritisch kommentiert, und Sie zitieren diese Stimmen in Ihrem Buch ja auch: „Kelleruniversität“, „Glaspalast“, „blaues Monstrum aus Stahl und Glas“. Verstehen Sie, dass es auch so gesehen wurde?
Winkler: Natürlich! Aber das sind die Idioten. Denen in Wahrheit alles fremd ist; das sind die Journalisten, die schreiben irgendeine Schlagzeile, die am nächsten Tag vergessen ist.

Vec
: Dann würde ich Sie jetzt nicht weiter belästigen, außer Sie hätten von sich aus noch ein Anliegen, wenn im Gespräch irgendwas zu kurz gekommen wäre.
Winkler: Nein, ich bin müde geworden.

Vec: Vielen Dank, Herr Winkler für das Gespräch, und wir wünschen Ihnen noch einen schönen Nachmittag! (Zwei Minuten später klingelte das Telefon und Günther Winkler meldete sich noch einmal.)
Winkler: Meine Funktion war ehrenamtlich, ich habe kein Geld dafür bekommen. Die Industriellenvereinigung hat übrigens einen Zuschuss zu meiner Weltreise beigesteuert. Ich war ein leidenschaftlicher Universitätsmensch!

* Winkler hat ein umfangreiches, informatives Buch über sein Werk geschrieben: „Das Juridicum. Planung und Errichtung eines Fakultätsgebäudes für Juristen aus der Sicht des Baubeauftragten“, Jan Sramek Verlag: Wien 2016, XIII, 315 pp., mit Abb. ISBN: 978-3-7097-0111-9

Das Interview mit em. O.Univ.-Prof. Dr. iur. Dr. h.c. phil. et iur., Senator h.c. Günther Winkler (*15. Jänner 1929) wurde am 10. Oktober 2024 telefonisch geführt, anschließend transkribiert und redaktionell überarbeitet. Am 25. Oktober 2024 ist Günther Winkler verstorben.